2011 ist das vorolympische Jahr der Entscheidungen: Wer löst die Olympiafahrkarten?

Die ISAF Sailing World Cup Veranstalter der 42. Trofeo SAR Princesa Sofia Mapfre (3. bis 9. April vor Palma de Mallorca) haben einen neuen Teilnehmerrekord gemeldet: Mehr als 710 Teams aus 53 Nationen starten ab Sonntag in die Wettfahrten vor Mallorca, darunter 83 deutsche Teilnehmer (24 Frauen, 59 Männer). 49 von ihnen gehören dem aktuellen Kader des Deutschen Segler-Verbandes (DSV) an.
 
42. Trofeo SAR Princesa Sofia Mapfre

Die spanische Regatta gilt unter den olympisch ambitionierten deutschen Seglern als wegweisende Ouvertüre zur nationalen Olympiaausscheidung in diesem Jahr. „Die Trofeo Princesa Sofia zählt zwar noch nicht für die Ausscheidung, ist aber eine wichtige Standortbestimmung nach dem Winter- und Frühjahrstraining“, sagt DSV-Sportdirektorin Nadine Stegenwalner (Hamburg), die vor Ort sein wird, „die Regatta wird zeigen, wo wir stehen und woran wir noch arbeiten müssen.“
 
„Die Felder in Spanien sind olympiareif. Ich möchte in die Top Ten segeln und damit meine Erfolge an der Seite internationaler Steuerleute im vergangenen Jahr 2011 mit Robert auch unter deutscher Flagge fortsetzen“, sagt Starboot-Vorschoter Frithjof Kleen, der zum ersten Mal seit 2007 wieder gemeinsam mit Steuermann Robert Stanjek an einer Regatta teilnimmt und ebenfalls dem Sailing Team Germany (STG) angehört. Das Duo aus Berlin zählt neben den Europameistern Johannes Polgar/Markus Koy (Hamburg), den Lübeckern Johannes Babendererde/Timo Jacobs und den Rostockern Alexander Schlonski/Matthias Bohn zu den mindestens vier deutschen Starboot-Teams, die in diesem Jahr um nur eine Fahrkarte zu den Olympischen Spielen kämpfen werden. Unter den 42 für die spanische Regatta gemeldeten Starboot-Mannschaften finden sich sieben Olympiasieger und mehr als zwei Dutzend olympische Medaillengewinner und Weltmeister.
 
Doch auch die anderen neun olympischen Disziplinen sind zum europäischen Saisonauftakt herausragend besetzt. Die Berliner 470er-Steuerfrau Kathrin Kadelbach bestätigt: „Es wird ein starkes Feld sein, was uns die Möglichkeit gibt, noch ein wenig an unseren Starts zu feilen. Ich bin zufrieden mit unserem Wintertraining, sowohl mit der deutschen Trainingsgruppe als auch mit unseren australischen Trainingspartnern. Palma und auch der folgende Weltcup vor Hyères geben uns nun die Möglichkeit, noch ein paar Dinge auszuprobieren. Wir freuen uns aber schon darauf, wenn es in Weymouth endlich losgeht.“
 
Die deutsche Olympiaausscheidung beginnt im Olympiarevier

Damit spricht Kathrin Kadelbach den Auftakt zur Olympiaausscheidung im Olympiarevier vor Weymouth an. Drei internationale Regatten bilden den Rahmen für die nationale Qualifikation zu den Olympischen Spielen:
 
1.   ISAF Sailing World Cup Sail for Gold (Weymouth, 5. bis 11. Juni 2011)
2.   ISAF Sailing World Cup Kieler Woche (Kiel, 18. bis 26. Juni 2011)
3.   ISAF Weltmeisterschaft (Perth, 3. bis 18. Dezember 2011)
 
Der nationale Nominierungsweg für die deutschen Seglerinnen und Segler ist längst festgelegt. Er gilt als fair, leicht verständlich und beinhaltet den Auftritt vor heimischem Publikum während der Kieler Woche.

Grundvoraussetzung für die Vergabe der Olympiafahrkarten ist aber zunächst die Erfüllung der internationalen Kriterien des Weltseglerverbandes (ISAF). Jede Disziplin muss mit mindestens einem Team die sogenannte „Nationenqualifikation“ erfüllen, um den deutschen Startplatz in dieser Disziplin grundsätzlich zu sichern. Es ist jedoch nicht automatisch das Team für die Olympischen Spiele qualifiziert, das diese Nationenqualifikation gesichert hat.
 
Die deutschen Olympiafahrkarten werden erst am Ende der dreiteiligen nationalen Ausscheidungsserie vergeben. Grundlage ist die Norm des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB): Der Nachweis der sogenannten Endkampfchance muss erbracht sein.
 
Hierzu werden aus deutscher Sicht alle internationalen und nationalen Teilnehmer der drei oben genannten ISAF-Regatten nach einem festgelegten Punktesystem in einer speziellen DSV-Wertung erfasst. Jeder deutsche Teilnehmer, der nach Abschluss der ISAF Weltmeisterschaft im Dezember in der internen DSV-Wertung unter den besten zehn Nationen platziert ist und mindestens 6 Punkte bei einer der drei genannten Regatten ersegelt hat, hat zunächst einmal die erforderliche DOSB-Norm erfüllt.
 
Das olympische DSV-Punktsystem ist so konzipiert, dass Podiumsplätze besser bewertet werden. So soll vor allem bei der Weltmeisterschaft zum Jahresende der Kampf um die Medaillen im Mittelpunkt stehen, taktisches Segeln und die draus möglicherweise resultierende Inkaufnahme schlechter Gesamtergebnisse dagegen verhindert werden. Anfang 2012 wird der DSV dem DOSB die bestplatzierten Mannschaften in jeder Disziplin mit olympischem Startplatz für Deutschland zur Nominierung für die Olympischen Spiele 2012 vorschlagen. Eine detaillierte Erläuterung des Ausscheidungssystems findet sich auf der DSV-Homepage (www.dsv.org).
 
Spannende Kämpfe um die Fahrkarte

Während Europameisterin Silke Hahlbrock und ihr Hamburger Match Race Team ohne nationale Konkurrenz Kurs auf die Olympischen Spiele 2012 nehmen und sich ganz auf die in dieser Klasse besonders schwere Sicherung des deutschen Startplatzes im überschaubaren olympischen Feld von nur zwölf zugelassenen Match-Race-Mannschaften konzentrieren können, werden in anderen Disziplinen spannende nationale Kämpfe um die Olympiafahrkarte erwartet. So segeln im Starboot mindestens vier Teams auf Weltklasseniveau. Auch im rasanten 49er bewerben sich mehrere Teams um das Ticket nach England. 49er-Steuermann Tobias Schadewaldt (Kiel), der sich an der Seite von Hannes Baumann (Kiel) für die Olympischen Spiele qualifizieren möchte, sagte vor dem Saisonauftakt in Spanien: „Wir möchten unsere Erfolge der letzten Jahre auf Mallorca wiederholen. Konkret peilen wir wieder das Medaillenrennen der besten zehn Mannschaften an. Die Palma-Regatta ist unser vorletzter Test vor Beginn der Olympiaqualifikation. Wir wollen deshalb starke Routinen festlegen und eine solide Serie hinlegen. Im vergangenen Jahr war es bei uns zu schwankend. Das können wir in der Olympiaqualifikation nicht brauchen. Wir haben im Training viel an unserer Konstanz gearbeitet und werden das jetzt in der Regatta anwenden.“ Zu Schadewaldts härtesten Konkurrenten zählt das Flensburger 49er-Duo Lennart Briesenick-Pudenz/Morten Massmann. Lennart Briesenick-Pudenz sagte: „Wir wollen bei der Palma-Regatta ein erstes Zeichen setzen. Sowohl für unsere nationalen, aber auch in Richtung der internationalen Konkurrenten. Wir haben ein sehr intensives Wintertraining mit hervorragenden Konkurrenten in Cadiz hinter uns und starten selbstbewusst in die Saison. Wir wollen uns eine gute Ausgangsposition für die ersten Qualifikationsregatten schaffen.“
 
Insgesamt geht es in zehn olympischen Segeldisziplinen um Nationenplätze und die nationalen Olympiafahrkarten. Ob am Ende tatsächlich alle Disziplinen bei den Olympischen Spielen mit deutschen Startern besetzt werden, ist abhängig von den Leistungen der Aktiven.
 
Olympisches Segeln der Zukunft

Mit großer Spannung wird auch die Frühjahrestagung des Weltseglerverbandes vom 4. bis 8. Mai 2011 im russischen St. Petersburg erwartet. Neben weiteren aktuellen Themen geht es dort um die nahe und mittelfristige Zukunft des olympischen Segelsports. Nachdem sich die Delegierten im November – zunächst vorläufig – gegen das Zweimann-Kielboot Star und für die Wiederaufnahme eines Katamarans mit gemischter Crew in das olympische Programm ausgesprochen hatten, stehen nun mit Blick auf das olympische Segelprogramm 2016 verbindliche Entscheidungen an.
 
Der Weltseglerverband hat seit der Tagung im November 2010 65 dringende Anträge von den nationalen Mitgliedsverbänden erhalten. Die meisten davon betreffen das Wahlsystem, mit dem über die olympischen Disziplinen entschieden wird, sowie die Disziplinen selbst.
 
Auch der Deutsche Segler-Verband hat einen Antrag (Submission M05-11) gestellt, der bereits von der Bermuda Sailing Association unterstützt wird. Der DSV spricht sich für den Erhalt eines Zweimann-Kielbootes und auch für den Katamaran als olympische Disziplin aus. Um die geforderte maximale Anzahl von zehn olympischen Disziplinen nicht zu überschreiten, würde der DSV das Finn Dinghi als olympische Disziplin streichen, weil es mit dem Laser noch eine zweite olympische Einhanddisziplin für Männer gibt. Mit Blick auf die Surfdisziplinen für Männer und Frauen sprechen sich die Deutschen für eine Testserie aus, an deren Ende die Entscheidung zugunsten von Surfbrett oder Kiteboard stehen kann. Laser und Laser Radial sollen als Einhandjollen für Männer und Frauen bleiben. Ebenso die Elliott 6m-Kielboote (Evaluation). Weiter stimmt der DSV für gemischte Crews in der klassischen Zweihand-Jolle 470er. Zum 49er für Männer sollte auch eine Skiffdisziplin für Frauen eingeführt werden.
 
„Wir sind der Meinung, dass Kielboote die beliebteste Art des Segelns weltweit repräsentieren und möchten sie deshalb auch im olympischen Programm repräsentiert sehen“, sagt Nadine Stegenwalner. Der DSV weist in seinem Antrag außerdem auf Regel 23.1.2 (e) und (f) hin, in der festgehalten wird, dass die „maximale Teilnahme der weltbesten Segler“, der „Spiegel der Vielfältigkeit des Sports“ und eine „effektive Plattform zur Werbung für den Sport und herausragende Segler zwischen den Olympischen Spielen (…“) gewährleistet sein sollen. In der Argumentation der Bermuda Sailing Association heißt es unter anderem: „Ein (olympisches) Kielboot garantiert Vielfalt, denn es weist die bei weitem größte Bandbreite von Athleten (sowohl im Alter als auch im Gewicht) auf und begeistert Champions und Helden des Sports.“ Der Verband in Bermuda weist darauf hin, dass sechs der letzten zwölf ISAF Weltsegler des Jahres aktuell in der Starbootklasse segeln. Gleich nach dem Laser sei das Starboot die Klasse mit den größten Teilnehmerzahlen unter dem olympischen Dach. Die Lobbyisten aus Bermuda erinnern außerdem an das Medaillenrennen der Starboote bei den vergangenen Olympischen Spielen in China: „Es war das spannendste und aufregendste aller Finalrennen. Alle Boote erreichten die Ziellinie binnen 55 Sekunden. Die Medaillengewinner wechselten während des Rennens mehrfach.“
 
Wie sich die Delegierten des Weltseglerverbandes im Mai entscheiden, ist noch nicht absehbar. Nadine Stegenwalner sagt: „Es liegen die unterschiedlichsten Anträge vor. Wichtig wäre, dass zunächst einmal das komplizierte Wahlsystem einfacher und überschaubarer wird. Dann kann auch fair gewählt werden.“

Information/Rückfragen:
Deutscher Segler-Verband * Abteilung Leistungssport
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Telefon: 040-632009-41/-44 (Zentrale: 040-632009-0)
Fax: 040-632009-42 (Zentrale: 040-632009-28)
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