RC-Segeln Hightech in Kleinformat

Die Yachten sind nicht mehr als zwei Meter lang, und ihr Skipper steht an Land. Was macht die Faszination dieser speziellen Segeldisziplin aus?

RC-Segeln Hanneke Gillissen
RC-Segeln: Die Yachten sausen über das Wasser, ihr Skipper steht meherere 100 Meter weiter an Land. Foto: Hanneke Gillissen

Es wird eng an der Tonne. Vier Yachten liegen gleichauf. Der Wind ist böig, die Welle kurz und kabbelig. Jetzt ist Taktik gefragt. Die rote „Kamsin“ setzt sich durch und ist als erste auf dem anderen Bug. Jürgen Peters ballt die Faust und freut sich.

Skipper Peters steht an Land. Seine rund 1,70 Meter lange Yacht saust inzwischen 300 Meter entfernt über das Wasser Richtung Ziellinie. Jürgen Peters aus Wuppertal ist RC-Segler. Mit Leib und Seele.

RC steht für „Radio Controlled“ und ist die internationale Bezeichnung für funkgesteuerte Yachten. In vielerlei Hinsicht sind sie den „Großen“ ähnlich. So sind Rümpfe und drehbare Masten der zwischen 0,65 und 1,80 Meter langen Modellboote meist auch aus leichten, aber harten Werkstoffen wie zum Beispiel Carbon gefertigt und stehen den America’s Cuppern in nichts nach. Ingenieure, Techniker und RC-Segler entwickeln in Kooperation ständig neue Designs, Firmen im In- und Ausland stellen in Lizenz professionell und mit technisch anspruchsvollsten Verfahren Rümpfe und Segel her. Es gibt verschiedene Klassen, Vermessungsregeln und -methoden, Ranglisten, Deutsche und Internationale Meisterschaften, auf dem Wasser gilt von wenigen Ausnahmen abgesehen das Reglement von World Sailing.

Trotz aller Ähnlichkeiten: Die RC-Yachten „sind keine reinen Verkleinerungen der Großsegler“, sagt Henning Faas, Vorsitzender der „Vereinigung der Modellyachtsegler“ VdMYS (www.vdmys.de), „sie sind vielmehr reine Sportgeräte“. Ganz eigene Konstruktionen für ferngesteuertes Regattasegeln also.

Der kleine große Unterschied

Ferngesteuert waren die Boote allerdings noch nicht immer. Bis zu den 1960er Jahren benötigte man zwei Mann zum Modellsegeln, wie es damals noch hieß: Der Skipper setzte das Boot ins Wasser, am anderen Ufer brachte der Maat die Yacht per Hand auf den neuen Bug. Das änderte sich mit der Ära der Funkfernsteuerungen schlagartig.

Heute dirigiert der Skipper über zwei Kreuzknüppel funkgesteuert das Ruder im Heck und die Segelwinde seiner Yacht, öffnet und schließt so die Segel, wie Wind, Welle, Kurs und Taktik es erfordern. Einige wenige Profis verstellen inzwischen mit einem dritten Knüppel sogar das Segelprofil. Gab es anfangs vier verschiedene Frequenzen, „so lenken bei Regatten heute bis zu 20 RC-Segler ihre Yachten im Feld“, erklärt Gerhard Schmitt, einer der erfahrensten RC-Segler Deutschlands. Im Training sind dann auch schon mal 50 Skipper zeitgleich auf der Frequenz 2,4 Gigahertz „auf Sendung“. Da wird es eng auf dem Wasser und am Uferstreifen. Denn die Skipper müssen mit der Fernbedienung hinter ihren Yachten her.

RC-Segelklassen

In Deutschland werden inzwischen in sechs Klassen Ranglisten und Deutsche Meister ausgesegelt:

  • IOM – International One Metre (Rumpflänge 1 Meter)
  • Marblehead M (ca. 1,29 m)
  • Ten Rater 10R (ca. 1,80 Meter)
  • Mini 40 Mehrrumpfboote (ca. 1,20 m)
  • RC Laser Einheitsklasse (ca. 1,10 m)
  • 65 Klasse (0,65 m).

Mehr Infos zu den Klassen finden Sie auf www.radiosailing.org.

Technik, Taktik und Tempo – Faszination RC-Segeln

RC-Segeln Biblis
120 Teilnehmer aus 16 Nationen haben für die Ten Rater und Marblehead-Weltmeisterschaften auf dem Riedsee beim SV Biblis gemeldet. Foto: Andrea Horn

Für Gerhard Schmitt hat alles mit einem Spielzeug angefangen, „doch dann wurde schnell Ernst daraus“, erinnert sich der 78-Jährige an den Beginn seiner großen Leidenschaft vor mehr als vierzig Jahren. Er hatte sich einen Modell-Seenotrettungskreuzer gebaut, doch das „war irgendwie fad“. Es folgte der Baukasten „Segelboot“ und dann schnell das RC-Segeln. „Ich wollte immer das schnellste Boot haben“, erzählt er. Also hat Gerhard Schmitt sich akribisch eingearbeitet in die Themen Aerodynamik und Hydrodynamik, Rumpfschalen und Masten gekauft und immer weiter getunt.

„Ich habe viel ausprobiert, gebastelt und dann sofort auf dem Wasser und oft unter Wettkampfbedingungen getestet.“ Die technischen Finessen haben es ihm angetan, die taktischen musste der Esslinger erst erlernen: Gerhard Schmitt kommt ursprünglich nicht aus dem Segelsport. „Irgendwann habe ich dann auch mal meinen A-Schein gemacht, hatte aber Probleme mit dem Gleichgewicht auf dem wackeligen 470er“. Und der Segellehrer sei wahnsinnig mit ihm geworden, weil er ständig an den Segeln gezupft hätte.

Segelerfahrung auf einem „Großen“ ist also nicht unbedingt Voraussetzung, um in der RC-Segel-Szene bestehen zu können. Siehe Enthusiast Schmitt – er ist seit Jahren einer der erfahrensten und erfolgreichsten Skipper, national und international.

RC-Segeln: Infos für Umsteiger

Dennoch kommt der weitaus größere Teil der rund 500 RC-Segler in Deutschland aus dem Großsegel-Sport. „Einige holen ihre RC-Yachten hervor, wenn die großen Schiffe ins Winterlager kommen“, erklärt Nigel Winkley, Obmann des Ausschusses RC-Segeln im DSV. Und bleiben so am Ball, was Technik, Taktik und Trimm anbelangt. Andere Regattasegler steigen um, wenn es körperlich schwierig wird, zum Beispiel auf dem Katamaran herumzuturnen.

Der Reiz des Wettkampfs, die Herausforderung bei Taktik und Trimm – all das hat auch den Norddeutschen Winkley ans Ufer gelockt. Trotz einer klassischen Segelbiografie. „Die üblichen Bootsklassen haben mich nicht wirklich gereizt“, sagt er. Die Regatta als Wettfahrt schon. Und die gibt es bei den RC-Seglern reichlich. Denn anders als beim Klassiker dauern die Läufe (Up- und Downwind mit einer Schenkellänge von maximal 300 Metern) bei den Funkgesteuerten nur 10 bis 15 Minuten, es gibt bis zu drei Durchgänge pro Stunde. Folge: „Wenn Du mal etwas versemmelt hast, kannst du dein Missgeschick im nächsten Lauf korrigieren und bist trotzdem noch dabei“, erklärt Winkley eine reizvolle Besonderheit der RC-Regatten.

Hohe Schnelligkeit, extreme Taktung – das gilt für alles, was bei den RC-Seglern auf dem Wasser geschieht. Auch Proteste werden entsprechend zügig entschieden. Langeweile kommt da nicht auf. Und überfordert zumindest anfangs manchen Umsteiger, sowohl die Skipper an Land als auch die Schiedsrichter auf dem Wasser.

Talent, Ehrgeiz und Konzentration

Jürgen Peters aus Wuppertal ist vor rund 13 Jahren umgestiegen. Seine Segelkarriere: Optimist, Korsar, Finn Dinghy, Strandsegeln und dann der erste selbstgebaute, ferngesteuerte Strandsegler. „Den habe ich getauscht gegen eine Modellyacht und dann war’s um mich geschehen“, sagt der Bezirksschornsteinfeger, der gerade in den Ruhestand gegangen ist und jetzt endlich so richtig Zeit für das RC-Segeln hat.

Was ihn so fasziniert? Die kleine Gemeinde der Regattasegler, die fest zusammenhält, „auch wenn wir eigentlich Konkurrenten sind“. Die Möglichkeit, alle segeltaktischen Finessen auszutesten, die Herausforderung, die Yacht passend zu den Bedingungen zu trimmen, da kommt es auf jeden Millimeter an, im richtigen Moment das Rigg zu tauschen („für meine Marblehead habe ich sechs verschiedene Riggs“), den Wind zu erahnen…

Jürgen Peters ist ehrgeizig, er liebt es, Regatten zu segeln, mehr als 30 sind es im Jahr. Er ist einer der aktivsten RC-Segler in der deutschen Szene, 2015 wurde er Meister gleich in fünf Klassen. Seine Spezialität sind leichte Winde. „Ja, ich habe Talent. Ja, ich habe auch Glück. Und ja, ich kann mich gut konzentrieren“, beschreibt er seine Fähigkeiten. Sein Handy klingelt regelmäßig, erinnert ihn daran, immer wieder zu trinken und Traubenzucker zu lutschen. Denn für ihn ist RC-Segeln auch ein Kopfsport. „Du kannst dir für noch so viel Geld das Design der Weltmeisteryacht kaufen… das allein wird nicht reichen für den Erfolg.“

RC-Segeln im DSV

Die Abteilung Modellsegeln im DSV existiert seit 1934, bis Mitte der neunziger Jahre waren viele Modellsegler allerdings noch bei den Modellbauern organisiert. „Doch immer mehr RC-Segler wollten Regatten segeln und nicht mehr allein sonntags auf dem See rumschippern“, sagt Henning Faas, Vorsitzender der „Vereinigung der Modellyachtsegler“ VdMYS (www.vdmys.de). Der Wettkampfgeist trat in den Vordergrund, die Mini-Yachten entwickelten sich immer stärker zum reinen Sportgerät. Und so wechselten viele RC-Segler in den überregionalen DSV-Verein VdMYS.

Heute kümmert sich der Ausschuss RC-Segeln (Spezielle Segeldisziplinen) im DSV um die Belange der rund 500 deutschen RC-Segler, organisiert u.a. Regatten, erstellt Ranglisten und Messbriefe. Seit 2013 gibt es auch eine Deutsche Klassenvereinigung RC-Segeln (DKVRS, www.dkvrcs.org). Zahlreiche Segelvereine in Deutschland haben inzwischen eine eigene RC-Segel-Abteilung, zu den mitgliederstärksten gehören der MJC München, der WSG Geldern und der SV Biblis (Ausrichter der WM 2018). Andere Clubs haben zumindest eine aktive Gruppe von Gleichgesinnten. Nachfragen lohnt sich also.

RC-Segeln: Nachwuchs und Einsteiger

Nachfragen im eigenen Verein gilt auch für junge Großsegler, die im Winter gerne ein wenig basteln möchten. So haben zum Beispiel Anfang 2018 RC-Erfahrene mit den Jugendlichen des Butjadinger SC gemeinsam einige Yachten der 65er-Klasse – der neuen Einsteigeryacht – zusammengebaut und ausprobiert.

Sie sind insgesamt neugierig geworden? Haben vielleicht schon eine Modellyacht, möchten aber andere Segler treffen? Auf der gemeinsamen Internetseite des DSV-Ausschusses RC-Segeln und der Klassenvereinigung DKVRCS (http://www.dkvrcs.org/) finden Sie Reviere in Ihrer Nähe. Sie könnten sich auch vorstellen, mal bei einer Regatta zu starten? Dann sollten Sie sich unbedingt diese Einsteigertipps anschauen. Da geht es nicht nur um Klassen und Regattaformalitäten, sondern auch um die Thematik rund um die Frage selber bauen oder (gebraucht) kaufen.

Jetzt weiterlesen: Die historische Entwicklung des RC-Segelns