Kleinschifferzeugnis: Verbände erwirken Erleichterungen und längere Übergangsfrist

Anfang dieses Jahres gab es viel Aufregung um das Kleinschifferzeugnis, das neu in Kraft getreten ist. Hanna Steingröver ist Leiterin der Führerschein-Abteilung beim DSV und erläutert, welche Konsequenzen diese Regelung für die Vereine hat.

Hanna, bitte erkläre doch kurz: Was ist das Kleinschifferzeugnis überhaupt?

Hanna Steingröver, Leiterin der Führerschein-Abteilung des DSV
Hanna Steingröver, Leiterin der Führerschein-Abteilung des DSV

Das Kleinschifferzeugnis wurde im Januar 2022 vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr durch eine neue Regelung in der Binnenschifffahrtspersonalverordnung eingeführt. Es regelt die Nutzung von Sportbooten bis 20 Metern Länge zu gewerblichen Zwecken neu – auf den Wasserstraßen der Zonen 1 bis 4 (Karte hier). Bei diesen Zonen handelt es sich zu großen Teilen um Binnenwasserstraßen, aber auch beispielsweise um Teile der Kieler und Flensburger Förde. Ab Januar 2027 reicht in diesen Gebieten für Sportboote bis 20 Meter der Sportbootführerschein nicht mehr aus, wenn diese gewerblich genutzt werden. Zusätzlich wird dann das Kleinschifferzeugnis benötigt. Außerhalb dieser Zonen – insbesondere auf dem Meer – ist ein Kleinschifferzeugnis nicht erforderlich. Grundsätzlich dürfen Sie nach Ablauf der Übergangsfrist mit einem Sportbootführerschein Sportboote nur noch für Sport- und Freizeitzwecke führen.

Wen genau betrifft diese neue Regelung, beziehungsweise: was genau heißt „gewerbliche Nutzung“?  

Das ist eine spannende Frage, denn es gibt zwar in anderen Bereichen eine Definition, was gewerblich bedeutet, jedoch findet diese hier keine direkte Anwendung. Entsprechend ist die Beurteilung dessen, was gewerblich bedeutet, gerade eine große Herausforderung. Und da versuchen wir im Dialog mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr, eine Definition zu erreichen, die zumindest unsere ausbildenden Vereine und ihre ehrenamtlich Tätigen (Trainer*innen, Ausbilder*innen, Wettfahrtleiter*innen etc.) ausklammert. Aktuell unstrittig ist, dass alle, die beruflich unterwegs sind, das neue Zeugnis benötigen; beispielsweise Schiffsführende bei Vorführfahrten, Werftfahrten und als Fahrschullehrkraft im Rahmen der Sportbootausbildung.

Der DSV hat sich eindeutig gegen die Einführung des Kleinschifferzeugnisses positioniert…

… Ja, denn wir sehen generell keine Notwendigkeit, diesen zusätzlichen Befähigungsnachweis einzuführen. Es gibt insbesondere keine zugrundeliegenden Unfallstatistiken, die diese Regulierung rechtfertigen.

Für uns stellt die neue Regelung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die ehrenamtliche Vereinsarbeit dar. Es ist schon schwierig genug, Übungsleiter*innen und Trainer*innen zu finden, ganz abgesehen von den so wichtigen Saisonkräften im Rahmen der der Segel- und Sportbootausbildung. Für sie werden die Aufwände und Kosten durch die Einführung des Kleinschifferzeugnisses noch höher. Kleinere Schulen und Vereine werden ohne gebotenen Anlass in Existenzschwierigkeiten gebracht – nach den Folgen der Corona-Pandemie völlig unverständlich. Das ist eine Überregelung und Überbürokratisierung.

Wie konnte es überhaupt zu dieser Regelung kommen? Wurden die betroffenen Verbände nicht angehört? 

Tatsächlich wurden weder wir noch andere Verbände vor der Einführung des Kleinschifferzeugnisses im Januar 2022 angehört. Eher zufällig haben wir davon erfahren, als wir zu geplanten Änderungen in der Binnenschifffahrtspersonalverordnung angehört wurden. Sehr kurzfristig haben wir dann die Möglichkeit zur Stellungnahme ergriffen, woraufhin das Ministerium eine Videokonferenz mit allen Beteiligten einberufen hat. Alle dort beteiligten Verbände waren sich einig, dass die Einführung des Kleinschifferzeugnisses in keiner Weise notwendig ist und die praktischen Herausforderungen, die diese „Überregulierung“ mit sich bringt, wurden von uns eindringlich dargestellt. Daraufhin haben wir erneut Stellung genommen. Als Resultat konnten zumindest vier nachteilige Regelungen abgewendet werden: erstens die Altersgrenze von 18 Jahren – diese hätte für unsere jugendlichen Ausbilder*innen und Trainer*innen faktisch das Aus ihrer Tätigkeit bedeutet. Zweitens das Erbringen eines Tauglichkeitsnachweises ab 60 Jahren. Drittens den Nachweis über zwei Jahre Inhaberschaft eines Sportbootführerscheines vor der Beantragung. Viertens den Nachweis darüber, dass die ausbildende/dienstliche Tätigkeit schon vor dem 1. Januar 2022 bestand. Auch die ursprüngliche Frist zur Einführung des Kleinschifferzeugnisses zum 1. Januar 2024 wurde um drei Jahre verschoben.

Gibt es jetzt noch weitere Handhabe gegen das Kleinschifferzeugnis?

Bis das Kleinschifferzeugnis 2027 obligatorisch wird, kann noch viel passieren. In dieser Zeit werden wir uns weiter dahingehend positionieren, dass es der Einführung des Kleinschifferzeugnisses nicht bedarf und zumindest die Ausbildung zu den Sportbootführerscheinen und die ehrenamtlichen Tätigkeiten in den Vereinen von der Regelung ausgenommen werden sollten.

Kann das Kleinschifferzeugnis jetzt schon beantragt werden?

Ja, ausstellende Behörde ist die die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS). Die antragstellende Person muss den Sportbootführerschein Binnen oder See einreichen, ihre Identität nachweisen und formlos darlegen, dass sie das Kleinschifferzeugnis für gewerbliche, berufliche oder dienstliche Zwecke benötigt. Für die Ausstellung werden 129 Euro fällig. Der DSV verdient an dem Kleinschifferzeugnis übrigens nichts – entgegen anders lautender Gerüchte.


Auszug aus der Stellungnahme des DSV vom 26. Januar 2023

… „vielen Dank für den übersandten Referentenentwurf, zu dem wir im Einzelnen, wie folgt, Stellung nehmen

  1. Zu Artikel 3: Änderung der Binnenschiffspersonalverordnung:

Zu Nummer 20:

Da wir leider keine Anhörung in unserem Haus im Rahmen der Verordnungsänderung – die zu der Einführung des Kleinschifferzeugnisses geführt hat – feststellen konnten, teilen wir Ihnen zunächst unsere generellen Bedenken bezüglich der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/2397 in diesem Zusammenhang mit.

Die vorgenannte Richtlinie dient unter anderem der Harmonisierung der erforderlichen Qualifikationen beim Befahren von Binnenwasserstraßen. Personen, die Binnenwasserstraßen zu Sport- und Erholungszwecken befahren, sollen explizit nicht von der Richtlinie erfasst sein. Die Ausbildenden (Schulen, ausbildende Vereine etc.) bilden Interessierte für das Führen von Sportbooten zu Sport- und Erholungszwecken aus. In der Praxis gleicht eine Ausbildungsfahrt dem Führen eines Sportbootes/Sportfahrzeugs zu dem vorgenannten Zweck. Somit ist eine Regelungsbedürftigkeit nicht ersichtlich und die Ausklammerung (Artikel 2 Abs 2 lit a (EU) 2017/2397) sollte sich auch auf die praktische Tätigkeit der vorgenannten Ausbildenden beziehen.

Unseres Erachtens sollte hier demnach eine Privilegierung für die Ausbildung auf Sportfahrzeugen zum Erwerb von Befähigungsnachweisen in der Sportschifffahrt geben.

Die Ausbildungsbranche leidet bereits jetzt unter einem Mangel an Nachwuchskräften. Sofern nun junge Ausbilder gefunden werden können, die bereits mit 16 Jahren den Sportbootführerschein zum Führen von Sportbooten mit Antriebsmaschine erwerben können, wird diesen durch den zusätzlichen Erwerb des Kleinschifferzeugnisses und insbesondere dem Erfordernis eines Mindestalters von 18 Jahren, der Einstieg in eine Ausbildertätigkeit ohne gebotenen Anlass erschwert.

Gleichermaßen verhält es sich mit erfahrenen Ausbildern, die ab einem Alter von 60 Jahren einen Tauglichkeitsnachweis durch zugelassene Ärzt/-innen erbringen müssen, was mit erheblichem Aufwand verbunden ist, der für die Berufsschifffahrt nachvollziehbar sein mag, aber im Bereich der Sport- und Freizeitschifffahrt unverhältnismäßig erscheint.

Daneben steht zu befürchten, dass sich die wichtigen Saisonkräfte im Rahmen der Sportbootausbildung aufgrund der hohen Aufwände und Kosten gegen eine ausbildende Tätigkeit entscheiden. Gerade für die ausbildenden Vereine stellt dies eine der wichtigsten Säulen der ehrenamtlichen Betätigung dar. Kleinere Schulen und Vereine werden hierdurch ohne gebotenen Anlass in Existenzschwierigkeiten gebracht, was nach den Folgen der Corona-Pandemie sich umso unverständlicher und schlichthin unerträglich darstellt.

Die Voraussetzungen für den Erwerb des Kleinschifferzeugnisses stehen auch nicht im Verhältnis zu den Anforderungen der gewerblichen Nutzung von Sportbooten im Küstenbereich.

Ein Vergleich mit der gewerblichen Ausbildung im Küstenbereich zeigt hier auf, dass es keine entsprechenden Hürden gibt und vor allem kein gesondertes Patent aus der Berufsschifffahrt in Betracht gezogen wurde. Die Sportküsten-, Sportsee- und Sporthochseeschifferscheine haben sich seit ihrer Einführung als Fahrerlaubnis für die gewerbliche Nutzung von Sportfahrzeugen auch zu Ausbildungszwecken etabliert und werden gemäß einer Mitteilung des BMDV auch auf den Bundeswasserstraßen der Zonen 1 und 2 als Berechtigungen für die gewerbliche Nutzung von Sportfahrzeugen anerkannt.

Dies zeigt auf, dass die gewerbliche Nutzung mit Befähigungsnachweisen der Sportschifffahrt bereits erfolgreich funktioniert und eine Notwendigkeit für ein eigenes Patent zur Regelung der gewerblichen Ausbildung auf Sportbooten im Anwendungsbereich der Binnenschiffspersonalverordnung nicht besteht.

Die logische Konsequenz wäre daher, die Ausbildung auf Sportfahrzeugen bzw. Fahrzeugen unter 20 Metern Länge als privilegierte Nutzung anzunehmen und als Ausnahme von der Patentpflicht des § 15 Abs. 5 BinSchPersV auszugestalten, um unbillige Härten zu vermeiden und die Umsetzung des Masterplans Freizeitschifffahrt im Bereich der Binnenschifffahrt nicht zu behindern.

Zu Nummer 32:

Es besteht bei unseren ausbildenden Vereinen generelle Verunsicherung, ob für die Ausbildung auf Sportfahrzeugen bzw. Fahrzeugen unter 20 Metern Länge ein Kleinschifferzeugnis vorausgesetzt wird. Nach unserer Einschätzung sollte es sich insbesondere bei der Ausbildung durch Vereine um keine gewerbliche Nutzung, sondern, wie oben beschrieben, um Sport- oder Freizeitzwecke handeln. Dem § 130 BinSchPersV ist daneben nicht zu entnehmen, was unter die gewerbliche Nutzung in diesem Zusammenhang fällt, da eine Legaldefinition, anders als beispielsweise in der See-Sportbootverordnung, fehlt.“