Schon vor über hundert Jahren war Segeln „en vogue“. Kaiser Wilhelm II. tat es, sein Bruder Prinz Heinrich tat es und mit ihnen viele Männer und auch schon einige Frauen. Der erste deutsche Segelverein wurde bereits 1855 ins Leben gerufen. Es folgten zahlreiche weitere, noch heute namhafte Clubs, und schließlich gründeten zwölf einheimische Vereine am 4. März 1888 ihre gemeinsame Interessenvertretung – den Deutschen Segler-Verband (DSV).

Der DSV gewann schnell an Renommee und Einfluss. Allerdings verstanden seine Gründungsväter und auch die kurz darauf eingetretenen Clubs ihren Sportverband damals in erster Linie als Organisation im Dienste des Regattabetriebes. Bei dieser zweifellos wichtigen Aufgabe kamen jedoch die Interessen der auch schon zur Jahrhundertwende sehr aktiven Fahrtensegler zu kurz: Was nützte die schönste Yacht, wenn das Ansteuern fremder Länder und Häfen aufgrund bürokratischer Hürden und schlechter Versorgungsmöglichkeiten mehr Mühsal als Entdeckerfreude brachte?


1911:  Gründung in Berlin

Am 19. März 1911 schritten die Fahrtensegler zur Tat: Sie gründeten, vertreten durch 56 namhafte Segler aus verschiedenen Regionen Deutschlands, den Deutschen Kreuzer-Yacht-Verband. Bei ihrer konstituierenden Sitzung im Berliner „Central-Hotel“ bestimmten sie Dr. E. Mylius zu ihrem Vorsitzenden. Er war der Verfasser damals recht populärer Bücher  wie „Wetterkunde für den Wassersport“ und „Verpflegung und Kochkunst auf Yachten und Booten“. Ihm zur Seite standen zwei Stellvertreter, Prof. Dr. D. Kühl aus Göttingen und Walter Protzen aus Wismar, an dessen Reißbrett viele Kreuzeryachten entstanden.

Das Ziel der neuen Fahrtenseglerorganisation war, ihre Mitglieder mit Erfahrungsberichten, Informationen und Hilfe vor Ort zu unterstützen. Dem Deutschen Segler-Verband wollte man keine Konkurrenz machen. Man wollte weder Vereine aufnehmen noch Regatten veranstalten. Vielmehr galt es, die Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen, unter denen die Tourensegler in vielen Häfen im In- und Ausland zu leiden hätten. Ehrenamtlich tätige Kräfte sollten in allen Hafenstädten den Verbandsmitgliedern die notwendigen Auskünfte über Liege- und Ankerplätze, Proviant, Reparatur- und sonstige Versorgungsmöglichkeiten geben. Sie sollten sich mit Hafen-, Lotsen- und Zollbestimmungen gut auskennen und als „eine Art Konsul“ die deutschen Segler unterstützen. Weitere Arbeitsschwerpunkte waren die Ausbildung von Nachwuchs, das Chartern preiswerter Tourenyachten, Schlepphilfe für die Fahrt von Binnengewässern zur Küste sowie die Beauftragung bezahlter Bootsleute zur Pflege der Yachten. Für die Bearbeitung der Aufgaben wurden die Ausschüsse Binnen und See gegründet. Der Jahresbeitrag lag bei 10 Mark, das Eintrittsgeld betrug 3 Mark. Von den Mitgliedern wurde erwartet, dass sie Kurzberichte über ihre Yachtreisen schrieben und diese auf einer eigens dafür vorgedruckten Postkarte zur Veröffentlichung an das Verbandsorgan „Yacht“ schickten.

Um den Bau fahrtentauglicher Schiffe zu fördern, wurde noch im Gründungsjahr ein Wettbewerb ausgeschrieben, bei dem Entwürfe für Kreuzeryachten mit Hilfsmotor eingereicht werden konnten. Zu gewinnen gab es Preise im Wert von 200, 300 und 400 Mark, und die Beteiligung war entsprechend rege. Ein wirklich neues Bootsdesign brachte der Wettbewerb allerdings nicht hervor. Fast jeder Entwurf zeigte deutliche Einflüsse der damaligen Regattayachten.


1912–1918: Die Organisation nimmt Fahrt auf und fusioniert mit dem DSV

1912 erschien das erste Jahrbuch des Deutschen Kreuzer-Yacht-Verbandes mit zahlreichen Informationen für Fahrtensegler. Zeitgleich wurden die ersten Vertrauensmänner ernannt. Zwei Jahre später gab der Verband erstmals sein „Ostsee-Handbuch“ heraus, und schon 1914 hatte die Organisation 470 Mitglieder, die auf ihren Yachten stolz die Flagge des Deutschen Kreuzer-Yacht-Verbandes setzten.

Der Erste Weltkrieg brachte die Aktivitäten des Deutschen Kreuzer-Yacht-Verbandes weitgehend zum Erliegen. Dennoch hielt man durch den Versand von Informationsschriften Kontakt zu den Mitgliedern. Der Deutsche Segler-Verband schenkte dem Fahrtensegeln zunehmend mehr Aufmerksamkeit. Um die Kräfte zu vereinen, wurde Ende 1917 die Fusion beschlossen: Der Deutsche Kreuzer-Yacht-Verband hieß von nun an Kreuzer-Abteilung des DSV.


1919–1932: Fahrtensegeln wird international

Nach dem Ersten Weltkrieg gestaltete sich die Verbandsarbeit aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse zunächst schwierig. Dennoch vertrat die Kreuzer-Abteilung des DSV weiterhin die Interessen ihrer Mitglieder – insbesondere dort, wo es galt, Bürokratie der Hafenverwaltungen und Behörden abzubauen und den lästigen Papierkram bei Yachtreisen zu verringern. Solche Probleme gab es auch damals schon! Das Tagesgeschäft übernahm zunehmend die Geschäftsstelle des DSV: Sie gab Auskünfte zum Fahrtensegeln und vertrieb die Bücher und Karten der Kreuzer-Abteilung. Im Jahr 1922 schrieb die Kreuzer-Abteilung erstmals ihren bis heute veranstalteten Fahrtenwettbewerb aus. 1924 verloste sie drei 30-qm-Jollenkreuzer.

Einige Unerschrockene wagten sich schon damals mit ihren Yachten in weit entlegene Gebiete. Im Dezember 1927 kehrte Kapitän Carl Kircheiß als erster deutscher Weltumsegler in den Hamburger Hafen zurück. Knapp zwei Jahre zuvor war er mit seiner vom Fischereiewer zur Yacht umgebauten 22 Meter langen „Hamburg“ aufgebrochen. Zu den Pionieren des Fahrtensegelns zählt auch der Werbefachmann Hans Domizlaff, der damals auf seiner Yacht „Dirk III“ zu den Färöer-Inseln, an der norwegischen Küste entlang bis hoch in den Norden nach Hammerfest segelte. Seine Eindrücke hielt er in dem 1934 veröffentlichten Reisetagebuch „Dirk III“ fest, das heute zu den Klassikern der deutschen Segelsportliteratur zählt. 1931 lenkte die Atlantiküberquerung von Ludwig Schlimbach und seiner Crew auf der „Störtebeker I“ große Aufmerksamkeit auf den deutschen Segelsport.


1933–1945: Der Segelsport wird gleichgeschaltet

Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde der Deutsche Segler-Verband und damit auch seine Kreuzer-Abteilung wie die meisten anderen Sportorganisationen dem Diktat des politischen Systems unterworfen. Anstelle der gewählten Leitungen bestimmten nun von der NSDAP ausgewählte „Führer“ die Arbeit des Verbandes. Während dieses gewaltigen Umbruchs waren die Fahrtensegler sportlich sehr aktiv. 1938 schrieb die Kreuzer-Abteilung des DSV die „Deutsche Ostsee-Regatta“ aus. Sie führte über 380 Seemeilen von Warnemünde rund Bornholm nach Kiel. Einhundert Seekreuzer aus dem In- und Ausland nahmen daran teil. Doch es war vorerst die letzte Großveranstaltung dieser Art. Im September 1939 brach der Zweite Weltkrieg aus, und die humane, politische und wirtschaftliche Katastrophe nahm ihren Lauf. Auch der Segelsport kam fast gänzlich zum Erliegen.

1946–1969: Erst Wiederaufbau, dann Expansion

In den Nachkriegsjahren wagten sich bald die ersten Mutigen wieder aufs Wasser. Sie taten es trotz Hunger, beschlagnahmter oder zerstörter Yachten sowie zahlreicher Fahrverbote der Besatzungsmächte. Im Sommer 1950 durften deutsche Yachten erstmals wieder außerhalb der Landesgrenzen segeln. Normalität kehrte ein. Im März 1952 konstituierte sich der DSV neu – und mit ihm die Kreuzer-Abteilung. Im April 1953 folgte die erste Jahrestagung der Kreuzer-Abteilung des DSV nach dem Zweiten Weltkrieg. Dabei wurden die Prioritäten für die künftige Arbeit der Organisation gesetzt: Ausbau von Stützpunkten, Senkung von Hafengebühren, Entwicklung eines Hafenhandbuches.

Rollo Gebhard wurde zur Ikone der deutschen Fahrtensegler. 1956 überquerte der gebürtige Österreicher auf seiner 5,50 Meter langen Hansa-Jolle „Solveig“ einhand das Mittelmeer. Ein Jahr später segelte er allein durch den Suez-Kanal, das Rote Meer und in den Indischen Ozean. Mit „Solveig II“, einem 5,60 Meter langen Sperrholzboot überquerte er 1963 den Atlantik. In New York angekommen, wurde er begeistert empfangen. Die Zeitungen brachten seitenlange Reportagen, und er trat in diversen TV-Shows auf. In den folgenden Jahrzehnten umrundete Rollo Gebhard mehrfach den Globus – inzwischen soll er 150.000 Seemeilen in seinem Kielwasser haben.

1964 zählte die Kreuzer-Abteilung des DSV rund 1500 Mitglieder. Tendenz steigend. Zeitgleich wurde der Deutsche Motoryachtverband kooperatives Mitglied im DSV. Dadurch war es erstmals auch für Motorbootfahrer möglich, der Kreuzer-Abteilung beizutreten. Nur ein Jahr später rief die Organisation ihre „Informationsstelle Mittelmeer“ ins Leben.

Ende der 1960er sorgte Wilfried Erdmann erstmals für Schlagzeilen. Er stach im September 1966 mit seinem sieben Meter langen Kielschwertboot „Kathena“ in See. Sein Kurs: Karibik, Panama, Tahiti, Kap der Guten Hoffnung. Als er am 7. Mai 1968 in Helgoland festmachte, hatte er mehr als 30.000 Seemeilen im Kielwasser und als erster Deutscher die Welt allein umrundet.

1970–2000: Der Werkstoff GFK revolutioniert das Fahrtensegeln

Es folgte der Wassersportboom der 1970er-Jahre. Die meisten Boote und Yachten wurden nun nicht mehr aus Holz, sondern aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GfK) gefertigt. Die Schiffe konnten damit wesentlich preiswerter in großen Serien hergestellt werden, was breiten Bevölkerungsschichten dem Zugang zum Wassersport ermöglichte. Auf Initiative von Hans-Otto Schümann, dem dreimaligen Admiral‘s-Cup-Gewinner und heutigen Ehrenpräsidenten des DSV, wurde 1971 der Club der Kreuzer-Abteilung (CKA) gegründet. Sein Ziel war, Segler ohne traditionelle Vereinsbindung an den organisierten Wassersport heranzuführen. Das Konzept bewährte sich: Der CKA entwickelte sich zum größten Mitgliedsverein des DSV. Auch die organisierten Fahrtensegler profitierten davon: 1977 hatte die Kreuzer-Abteilung des DSV bereits 9000 Mitglieder, 1982 waren es schon mehr als 15.000 Männer und Frauen. In dieser Zeit wurde die Kreuzer-Abteilung zu einer leistungsstarken Service-Organisation ausgebaut, die die Interessen ihrer Mitglieder mit zunehmendem Einfluss gegenüber Behörden und Ministerien vertrat. Zunehmend wurden auch die Belange der Charterkunden vertreten. 1979 startete die Kreuzer-Abteilung das Projekt „Sauberes Chartern“. Diese Aktion sollte die Mitglieder davor schützen, auf unseriöse Bootsvermieter reinzufallen. Ganz anders entwickelte sich das Fahrtensegeln in der DDR. Dort gab es nur wenige Serienschiffe, dafür wurde viel selbst gebaut, zum Beispiel der Kleinkreuzer vom Typ Hiddensee. Auf den flachen Binnengewässern der DDR waren damals insbesondere Jollenkreuzer, aber auch die Kimmschwertjolle Ixylon populär.

In den 1980er-Jahren erregte Wilfried Erdmann wieder die Aufmerksamkeit der Medien: Am 8. September 1984 startete er erneut zu einer Weltumsegelung – diesmal nonstop und allein auf seiner 10,60 Meter langen Aluminiumslup „Kathena Nui“. Die Route: von West nach Ost um die Shetlands, das Kap der Guten Hoffnung, Tasmanien und Kap Hoorn. Am 6. Juni 1985 hatte er es geschafft: Nach 271 Tagen landete Erdmann wieder im Starthafen Kiel.

Den größten Zuspruch erfuhr die Kreuzer-Abteilung des DSV 1998 mit insgesamt 25.000 Mitgliedern. Doch noch im selben Jahr kam es zum Streit. Ein Teil des damaligen Vorstandes der Kreuzer-Abteilung strebte die Unabhängigkeit vom Deutschen Segler-Verband an, andere wollten wie gewohnt weiterarbeiten. Man konnte sich nicht einigen, und die Kreuzer-Abteilung verlor auf einen Schlag rund 3500 Mitglieder. Trotz dieses unerfreulichen Ereignisses blieb die Kreuzer-Abteilung des DSV zum Jahrtausendwechsel mit mehr als 20.000 Mitgliedern die größte und einflussreichste deutsche Organisation für Fahrtensegler.

2001–2011: Die Reviere werden exotischer – Expertenwissen ist gefragt

Zu Beginn des neuen Jahrtausends sorgte Wilfried Erdmann erneut für eine sportliche Sensation. Er segelte in den Jahren 2000/2001 allein und nonstop um die Welt – diesmal aber gegen den Wind. Dieses Wagnis schafften vor ihm weltweit erst vier Segler. Sein anschließend veröffentlichtes Buch „Allein gegen den Wind“ stand 32 Wochen lang auf der Spiegel-Bestsellerliste.

Auch normale Freizeitsportler erbringen im neuen Jahrtausend großartige Leistungen. So zum Beispiel Dr. Manfred und Dr. Heidemarie Brandes, die im Sommer 2009 auf ihrer nur neun Meter langen Yacht einen 4.000-Seemeilen-Törn von Rostock nach Norwegen bis über den Polarkreis in die Barentssee segelten. Im März 2010 wurden sie dafür mit dem Commodore-Preis der Kreuzer-Abteilung des DSV geehrt. Die beiden Senioren stehen mit ihrer Art zu segeln für viele deutsche Fahrtensegler, die immer häufiger in weit entfernte Reviere und Länder reisen. Auch Chartertörns in exotischen Revieren sind selbstverständlich.