Wingsurfen: Auspacken, aufpumpen, losfliegen!

Wer es einmal versucht hat, tut es immer wieder. Wingsurfen – der neue Trend auf dem Wasser – findet immer mehr Fans in der Segelwelt. Viele DSV-Vereine, Segel- und Windsurfschulen erweitern ihr Programm, der DSV integriert das Wingsurfen in die Trainerfortbildung. Wir stellen Ihnen das Wingsurfen in der Theorie vor. Ausprobieren müssen Sie es selbst.

Der 49er-Vizeweltmeister Fabian Rieger hat das Wingsurfen als perfekte Ergänzung zum Segeln für sich entdeckt. Foto: Vayu World
Der 49er-Vizeweltmeister Fabian Rieger hat das Wingsurfen als perfekte Ergänzung zum Segeln für sich entdeckt. Foto: Vayu World

Irgendwie, sagt Fabian Rieger und freut sich schon, wenn er nur ans Wingsurfen denkt, „irgendwie vereint dieser Wassersport für mich die positiven Seiten vom Windsurfen, Kitesurfen und Wellenreiten.“

Fabian Rieger, ehemals Graf, ist als Vorschoter gemeinsam mit Steuermann Tim Fischer Vize-Weltmeister und Vize-Europameister im 49er. An dieser anspruchsvollen olympischen Klasse hängt sein Herz. Doch wenn er Zeit findet, ist der Kieler schon immer wind-, kite- oder wellensurfend unterwegs. Und seit zwei Jahren eben wingfoilend.  „Die direkte Steuerung des Bretts über den Frontwing, das einfach zu verstauende Material, der leichtfüßige Kontakt zu jeder noch so kleinen Wellen, und das alles auch bei wenig Wind, egal ob ab- oder auflandig“, schwärmt Fabian Rieger über das Surfen mit dem Flügel. Für den Segler aus dem German-Sailing-Team-Perspektivkader hat Wingfoilen das Potenzial, eine der größten Wassersportarten zu werden.

Und das Beste: Neben dem Spaß hilft das Wingfoilen auch beim Segeln im Boot. „Über das sensible Foil spürst du sofort jede noch so kleine Welle und den Schub“, erklärt Fabian Rieger, „und trainierst so dein Gefühl für die Welle auch auf dem Boot.“

Wenig Hardware

Die Hardware beschränkt sich beim Wingsurfen zunächst auf drei Gegenstände: den Wing, das Board und ein Foil. Kein Mast, keine Gabel, keine weiteren Leinen. Ein Neoprenanzug für nördliche Gefilde plus eventuell Prallschutzweste und Helm als Schutz bei Stürzen sind sinnvoll.

Der leichte Wing ähnelt in Form und Bauart dem Drachen beim Kitesurfen, verfügt in der Regel über eine aufblasbare Fronttube, wird über Griffe oder eine Haltestange gesteuert und liefert zugleich Auftrieb und Vortrieb. Standen anfangs nur Vier-Quadratmeter-Wings zur Verfügung, so gibt es auf dem sich weltweit rasant entwickelnden Markt inzwischen Wings für alle Windverhältnisse. Damit das Tuch nicht abhandenkommt, ist es über eine Leash mit dem Handgelenk der Aktiven verbunden.

Und welches Board brauche ich zum Wingsurfen? Die gute Nachricht: Eigentlich kann jedes Board genutzt werden, egal ob Windsurf- oder SUP-Board, egal ob mit Finne oder Foil. Zum Lernen eignen sich vor allem Boards mit Schwert oder Center-Finne, um nicht so stark nach Lee abzutreiben beziehungsweise um nicht so viel Höhe zu verlieren. Um Frust zu vermeiden, empfiehlt sich anfangs ein Brett mit ausreichend Volumen – die Faustregel lautet Körpergewicht + mindestens 30 Liter für Wingsurf-Anfänger.

Spaß, Spiel und mehr Zeit auf dem Wasser

Steffi Wahl liebt die spielerische Komponente des Wingsurfens. Foto: Frithjof Blaasch/Bulgenslas
Steffi Wahl liebt die spielerische Komponente des Wingsurfens. Foto: Frithjof Blaasch/Bulgenslas

Niemand muss also sofort eine neue Ausrüstung kaufen, um das Wingsurfen zu versuchen. Doch nach den ersten Tests an Land und auf dem Wasser wird meist schnell klar: Ein spezielles, meist eher kurzes und dickeres Wingboard mit den typischen abgeschrägten Kanten und einem Foil an der Unterseite „ist einfach viel wendiger, da kommt richtig Spaß auf, du kannst ab neun, zehn Knoten abheben und auch kleinste Wellen abreiten“, schwärmt Steffi Wahl. Die selbständige Webdesignerin aus Kiel ist eine der besten deutschen Wave-Windsurferinnen. Vor zwei Jahren ging sie das erste Mal mit dem Flügel eines Freundes auf die Ostsee, und sie wird diesen Tag nicht vergessen. Ein lauer Ostwind wehte, mit dem Windsurfbrett ging nichts. Doch dann wurde dieser Nachmittag zu einem „der besten ever: Ich fühlte mich leicht, ungebunden und habe sooo viel gelacht.“

Für die 43-Jährige ist das Wingfoilen („es ist ein wenig wie das Spielen als Kind“) inzwischen die perfekte Ergänzung zum Wave-Windsurfen, für Fabian Rieger zum 49er-Segeln.

Auch das Herz von Maria Behrens aus Lübeck schlägt eigentlich für das rasante und akrobatische Windsurfen in der Welle, egal ob im dänischen Hanstholm, auf Teneriffa oder in Weißenhaus an der Ostsee. Die 19-jährige mit der Segelnummer G209 gewann unter anderem 2021 den Titel Vize-Weltmeisterin U20 PWA. Und doch ist für sie das Wingfoilen eine echte Alternative, bei leichten Winden, wenn es für das Wellen-Windsurfen nicht reicht, aber zukünftig auch bei Regatten. „Du hast mit dem Wing extrem viel Spielraum, alles ist irgendwie leicht und frei“, schwärmt Maria Behrens, „bei mehr Wind und gerade in Wettfahrten aber auch anspruchsvoll und herausfordernd.“

Der 13-jährige Finn Flügel gehört zu Deutschlands besten Nachwuchskitern, surft aber auch begeistert mit dem Wing.
Der 13-jährige Finn Flügel gehört zu Deutschlands besten Nachwuchskitern, surft aber auch begeistert mit dem Wing. Foto: Simone Pullen

Finn Flügel ist 13 Jahre alt und gilt als einer der besten Nachwuchskiter in Deutschland – unter anderem gewann er 2021 den GKA-Weltmeistertitel in der Altersklasse U14. Der gebürtige Oberfranke lebt die meiste Zeit des Jahres mit seinen Eltern im ägyptischen El Gouna, liebt das Freestyle-Kiten und trainiert nach der Schule oft bis zum Dunkelwerden auf der Lagune direkt vor der Haustür. Vor einem Jahr hielt er zum ersten Mal einen Wing in der Hand und findet es „echt krass“. Da entwickle sich etwas ganz Geniales: „Du kannst es auf jedem noch so kleinen See tun, bei wenig Wind, du kannst jede Welle mit dem Foil abreiten, du merkst nicht jede Böe…“. Kurz: Das Wingfoilen hat mit Finn Flügel einen weiteren Fan!

Wingsurfen – nicht mehr wegzudenken

Einsteiger, Umsteiger und Sowohl-Als-Auch-Sportlerinnen und -Sportler – diese Surf-Art findet immer mehr Anhänger „und ist aus der Wassersportszene nicht mehr wegzudenken“, sagt auch Leon Delle vom DSV. Viele packen ihr Material ins Auto und fahren einfach los. Doch inzwischen organisiert sich der Wingsurfsport in Deutschland verstärkt, Segelvereine, -schulen und der Deutsche Segler-Verband bauen erste Strukturen auf. Neben erweiterten Angeboten in Clubs und Schulen bietet auch der DSV spezielle Fortbildungen für Segel-, Wind- und Kitesurf-Coaches an.

Mit der Deutschen Wingfoil Vereinigung DWFV hat sich unlängst eine eigene Klassenvereinigung gegründet, die die sich neben anderem um Wettkampfregeln und Ranglisten kümmert und die Organisation von Regatten durch DSV-Vereine unterstützt und fördert. Der Antrag auf Anerkennung als internationale Klasse beim Weltsegelverband ist gestellt; sobald dieser bewilligt wird, ist das Wingsurfen offizielle DSV-Klasse, in der ab 2023 erstmals auch offizielle Deutsche Meisterschaftstitel vergeben werden.

Die Regattadisziplinen: Freestyle und Slalom

Mit Ranglisten-Regatten in den Disziplinen Surf-Freestyle (Wellenritte und Sprünge im direkten Vergleich) und Surf-Slalom (Massenstart und Downwindkurs um Bojen) auf Norderney, am Schönberger Strand und auf Fehmarn zählen in diesem Jahr bereits drei Veranstaltungen zur Deutschen Wingfoil-Tour.

Mehr Infos u. a. auf www.dwfv.de