Jonathan Koch wurde auf dem Jugendseglertreffen zum neuen DSV-Jugendobmann gewählt. Wir haben ihn nach 100 Tagen im Amt um eine erste Bilanz gebeten.
Jonathan, in der Politik sind die ersten 100 Tage im Amt dazu da, sich mit dem Amt vertraut zu machen, das Personal kennenzulernen und erste Maßnahmen anzuschieben. Hast du deine ersten 100 Tage als Jugendobmann auch so erlebt?
Auf jeden Fall! Das Schöne am Jugendseglertreffen war, dass ich bereits die zwei Tage vor der Wahl intensiv in den Austausch mit Jugendlichen, dem Hauptamt, dem Jugendsegelausschuss und meinem Vorgänger treten konnte. Die Feuertaufe war dann direkt fünf Tage später, als es bereits gemeinsam mit dem Präsidium zu einem Klausurwochenende ging. Insgesamt habe ich die ersten 100 Tage genutzt, um die bestehenden Strukturen zu verstehen, naiv hinterfragen zu dürfen und auch Änderungen anzustoßen.
Hast du schon Änderungen angeschoben?
Ja, wir haben auf der Sitzung des Jugendsegelausschusses am 15. Mai drei neue Arbeitsgruppen gebildet: Zusätzlich zu den bestehenden AGs Meisterschaften und Fördermittel gibt es jetzt die AG Mädchen- und Junge-Frauen-Förderung, die AG Juniorteam und die AG Ehrenamt und Freizeitsegeln. Zudem konnte ich mit der aktiven Leistungsseglerin Lena-Marie Weißkichel, der Wettfahrtleiterin Alexa Schaufler und dem Windsurfer Robin Rockenbauch drei sehr kompetente und hervorragend vernetzte Beisitzer*innen für den Jugendsegelausschuss gewinnen.
Du hast gesagt, in deinem Tagesgeschäft in Brüssel ist die Vernetzung der unterschiedlichen Parteien und Akteure die wichtigste Aufgabe. Ist das Thema Vernetzung in deiner Verbandstätigkeit genau so wichtig?
Ich benutze bei meiner Arbeit in Brüssel immer gerne das Sprichwort „If you’re not at the table, you’re on the menu“ – wenn man nicht aktiv mit den Entscheidern spricht, wird über einen entschieden. In unserem Verband vertrete ich im Präsidium die Interessen der Jugend, in der deutschen Sportjugend die Interessen des Segelsports. Daneben halte ich aber auch die Vernetzung mit den Klassen- sowie Landesverbänden und den direkten Austausch mit dem Juniorteam für sehr wichtig.
Wie arbeitest du mit dem Team in Kiel zusammen?
Wir haben einen wöchentlichen Online-Jour Fixe. Diese eineinhalb Stunden brauchen und nutzen wir auch sinnvoll. Wir reden über die Prioritäten und Aufgaben der Woche, ich berichte oft von den Sitzungen, die ich am Wochenende besuchen durfte. Daneben pflegen wir einen engen Draht auf kurzem Dienstweg. Gerade am Anfang war es natürlich auch für das Hauptamt eine Umstellung mit einem neuen Jugendobmann. Ich bin auch ab und zu in Kiel, um klausurartig alle anstehenden Themen zu besprechen. Und ich bin natürlich auch bei den großen Events wie der YES und der Kieler Woche vor Ort.
Wie empfindest du die Zusammenarbeit mit dem DSV-Präsidium?
Sehr konstruktiv. Am Ende steht immer im Vordergrund, was unserer Meinung nach am besten für den deutschen Segelsport ist, auch wenn die Meinungen hier mal auseinander gehen. Gerade die Diskussionen sind aber sehr wichtig und sehr gewinnbringend.
In welchen Bereichen siehst du den dringlichsten Handlungsbedarf?
Ein großes Thema ist die Stärkung des Ehrenamts. Bislang steht im Jugendbereich der Leistungssport im Vordergrund, auch auf dem Jugendseglertreffen. Mein Ziel ist es, dem Ehrenamt eine Bühne zu geben. Beide Bereiche sind gleich wichtig. Dazu gehört, dass ehrenamtliche Tätige ebenfalls geehrt werden wie erfolgreiche Nachwuchsseglerinnen und -segler. Und dass auch Ehrenamtliche in einer Podiumsdiskussion sitzen. Wir müssen gezielt nachfragen: Was begeistert dich? Was sind deine Gründe, dich im Jugendbereich zu engagieren? Um Strategien für das Ehrenamt geht es auch in der neuen Arbeitsgruppe Ehrenamt und Freizeitsegeln.
Ein weiterer wichtiger Punkt für mich ist, dass wir transparenter werden und mehr über unsere Arbeit sprechen. Viele junge Seglerinnen und Segler wissen gar nicht genau, was die Seglerjugend ist. Und was ein Jugendobmann überhaupt macht. Das möchte ich ändern.
Welche Visionen hast du, um mehr Kinder und Jugendliche für das Segeln zu begeistern? Und – ein wichtiger Punkt – sie für unsere Vereine zu gewinnen?
Ich denke, dass es zunächst wichtig ist nachzufragen: Was begeistert Kinder und Jugendliche am Segeln? Im zweiten Schritt gilt es festzustellen, wie diese Begeisterung gefördert werden kann. Wichtig ist es sicherlich, Alternativen zum Leistungssport zu bieten. Denn nicht jedes Kind und jede*r Jugendliche möchte leistungsorientiert segeln. Auch braucht es dringend Konzepte für einen leichteren Zugang zum Segeln. Was spricht beispielsweise gegen Ein-Tages-Regatten, bei denen die Boote gestellt werden? Um den Vereinen bei der Mitgliedergewinnung zu helfen, erarbeitet die AG Ehrenamt und Freizeitsegeln ein Handbuch über die Möglichkeiten des freizeitorientierten Segelns. Da geht es auch um Best Practice: Was bieten Vereine bereits an im Freizeitbereich? Was können andere Vereine adaptieren?