Beim Segeln bleibt die Behinderung an Land

Segeln ist eine der inklusivsten Sportarten überhaupt: Viele Boote lassen sich so umbauen, dass das Handicap auf dem Wasser keine Rolle spielt. Seglerin Kerstin Horn und Segler Dirk Thalheim erzählen, wie sie an Bord ihre körperlichen Einschränkungen vergessen und einfach frei sein können.

Segler*innen mit und ohne Handicap segeln ganz selbstverständlich gemeinsam – hier bei der Inklusions-WM 2021 in Hamburg. Foto: Sven Jürgensen

Kerstin Horn, 50, wird sich an diesen Moment immer erinnern. Bei der Reha stieg die an Multiple Sklerose erkrankte Frau im mecklenburgischen Plau am See vor knapp zehn Jahren zum ersten Mal in ihrem Leben in ein Boot und „kaum zu glauben, aber wahr: Ich segelte los“.

Kerstin Horn mit Begleithund Karlsson am Steg in Plau am See. Foto: privat
Kerstin Horn mit Begleithund Karlsson am Steg in Plau am See. Foto: privat

Dieses Gefühl von Unabhängigkeit und Freiheit begeistert Kerstin Horn immer wieder aufs Neue, wenn sie auf dem Wasser ist. Inzwischen segelt sie regelmäßig in einem 2.4mR. Dieses unkenterbare Kielboot hat unzählige individuelle Anpassungsmöglichkeiten, sodass Menschen mit und ohne Behinderung chancengleich auf Augenhöhe gegeneinander segeln können. „In diesem Boot habe ich allein alles in der Hand“, sagt Horn, „ich kann steuern, mit Wind und Wellen spielen, und durch Adaptionen spielen meine Einschränkungen hier überhaupt keine Rolle.“ Zur Steuerung nutzt die Seglerin ihre Hände und parallel eine Fußsteuerung.

Dirk Thalheim steuert auf der Außenalster die Kieljolle RS Venture Connect. Foto: Anja Düvel/FC St. Pauli
Dirk Thalheim steuert auf der Außenalster die Kieljolle RS Venture Connect. Foto: Anja Düvel/FC St. Pauli

Seglerisches Zuhause von Dirk Thalheim ist die Hamburger Außenalster. Thalheim, 51, ist seit einem Unfall querschnittsgelähmt, spielte schon bei den Paralympics Rollstuhlbasketball und entdeckte auf der Suche nach einer Freiluftsportart das Segeln für sich. Inzwischen segelt der Ingenieur bei nahezu jedem Wind und Wetter, startet für die Segelsparte des FC St. Pauli bei Regatten („einmal Wettkampf, immer Wettkampf“) und hat auch einen Trainerschein gemacht.

Ob segeln mit Unterstützung von Boots-Anpassungen oder im Team, bei dem jeder individuelle Stärken einbringt – Segeln gilt als eine der inklusivsten Sportarten überhaupt. Der Deutsche Segler-Verband engagiert sich deshalb auch seit Jahren zusammen mit seinen Vereinen dafür, dass alle Menschen, die segeln möchten, auch segeln können. „Beim Segeln ist nahezu alles möglich“, bestätigt Dirk Thalheim. Und: „Ich erlebe dort eine große Offenheit und wenig Vorbehalte.“

Das unterstreicht auch Kerstin Horn. Zwischen Mai und Oktober lebt sie deshalb regelmäßig in Plau am See und gibt beim Segelverein Plauer Hai-Live in Kooperation mit einer Reha-Klinik ihre Erfahrung an Patientinnen und Patienten weiter. „Und immer wieder“, sagt Kerstin Horn, „steigen gerade Segelanfänger begeistert und mit gestärktem Selbstvertrauen aus dem Boot“. Ein Selbstvertrauen, das weit über das Segeln hinausgeht.

Inklusives Segeln: DSV mit Informations- und Mitmach-Angebot auf der boot 2023 in Düsseldorf

Auf der Wassersportmesse boot vom 21. bis zum 29. Januar 2023 in Düsseldorf bietet der DSV gleich mehrere Möglichkeiten, sich umfassend zum inklusiven Segeln zu informieren: Auf dem Inklusions-Stand (Halle 15/B23) sind unter anderem mit einem 2.4mR und einer S\14 zwei Bootstypen ausgestellt, die beim inklusiven Segeln häufig genutzt werden. Fachleute aus Segelvereinen, vom Verband und inklusiv segelnde Sportlerinnen und Sportler beantworten alle Fragen rund ums Thema.

Am 28. Januar 2023 veranstaltet der DSV gemeinsam mit vielen Mitgliedsvereinen zudem den ersten „Tag des inklusiven Segelns“. Ab 10.30 Uhr gibt es informative Vorträge, spannende Workshops und eine anschließende Podiumsdiskussion zu der Inklusion im Segelsport. Mehr Informationen: www.dsv.org/tag-des-inklusiven-segelns