GPS, Kartenplotter, elektronische Seekarte auf dem Handy – viele Segelnde nutzen die Vorteile der elektronischen Navigation, lassen sich Routen vorgeben, freuen sich über die exakten Angaben von Position, Geschwindigkeit und ETA. Was aber, wenn das GPS ausfällt oder gestört wird? Insbesondere aus dem Ostseeraum kommen aktuell Meldungen über gestörte GPS-Geräte. Rainer Tatenhorst, Leiter der Abteilung Freizeit- und Fahrtensegeln des DSV, gibt Empfehlungen, wie Seglerinnen und Segler mit der Gefahr am besten umgehen.
Wenn ein GPS nicht mehr richtig arbeitet, kommt es zu ungenauen Positionsangaben, fehlenden oder verzögerten Positionsaktualisierungen, Warnmeldungen, plötzlichen Abweichungen vom Kurs und dem Verlust des GPS-Signals. Die Folgen sind gerade in Küsten- und Hafennähe gravierend und bilden ein erhebliches Sicherheitsrisiko. „Durch die elektronische Navigation haben wir uns angewöhnt, weniger auf Sicherheit zu fahren, dichter an der Küste zu segeln und die Tiefenlinien mehr auszureizen“, sagt Rainer Tatenhorst. „Wenn dann das GPS versagt, sind neben Orientierungslosigkeit Havarien oder Legerwallsituationen die gefährliche Folge.“
Gefahr im gesamten Ostseeraum
Warum es zu massiven Störungen und Ausfällen der GPS-Signale im gesamten Ostseeraum kommt, ist offiziell nicht geklärt, es handelt sich aber nicht um witterungsbedingte Störungen. Im dritten Jahr des Krieges zwischen Russland und der Ukraine haben die Störungen massiv zugenommen, neben der Ostsee ist auch die Nordsee davon betroffen. Sie sind Teil der hybriden Kriegsführung, gehen vermutlich von Russland aus oder werden von der russischen Schattenflotte initiiert.
Die schwedische Schifffahrtsbehörde hat inzwischen auf die zahlreichen gemeldeten Vorfälle reagiert und eine offizielle Warnung herausgegeben. Auch die finnische Verkehrssicherheitsbehörde warnt vor unzuverlässigem Satellitenempfang. Von einem Ausfall der Signale des Globalen Navigationssatellitensystems (GNSS) sind alle Systeme wie GPS, Beidou, Galileo oder GLONASS gleichermaßen betroffen, so dass bei jeder Bordelektronik eine Störung oder ein totaler Ausfall möglich ist.
Ein Warnsystem über den Ausfall der GPS-Systeme gibt es aktuell nicht, so dass jede Seglerin und jeder Segler für sich selbst vorsorgen muss. Die Länge der Störungen ist höchst unterschiedlich und kann zwischen wenigen Minuten und mehreren Stunden variieren.
Terrestrische Navigation vorrangig anwenden
„Ich kann allen, die jetzt auf Törn gehen, empfehlen, sich im Vorfeld mit der geplanten Route und der Navigation vertraut zu machen und sich auf die klassische, gelernte terrestrische Navigation zurückzubesinnen“, sagt Rainer Tatenhorst. „Das heißt: Kompass, Papierseekarten, Koppeln und Peilen.“
Anders als von vielen Segelnden in den vergangenen Jahren gehandhabt, empfiehlt er die elektronische Navigation aktuell als zweitrangig zu betrachten und als Redundanz mitlaufen zu lassen, sich aber auf die alten Tugenden der klassischen Navigation zu besinnen – wie sie auch in den Kursen für Sportbootführerscheine unterrichtet werden. „Wenn ich in dem Moment, wenn mein GPS ausfällt, erst meine Karte heraushole um zu schauen, wo ich bin, ist es zu spät“, betont er. „Zudem sollten beim elektronischen Kartensystem und den Funkgeräten die Alarmfunktion, die über eine Störung oder einen Abbruch des GPS-Signals akustisch informiert, aktiviert sein.“
Auch AIS, Funkgerät und Autopilot fallen ohne Signal aus
Dazu macht der erfahrene Segler deutlich, dass nicht nur der Kartenplotter von dem Ausfall oder der Störung des GPS betroffen ist, sondern auch weitere elektronische Systeme wie das AIS und der Autopilot. „Ausguck halten und auf Hörwache gehen ist ebenso wichtig“, unterstreicht er. „Auch die Distress-Taste beim Funkgerät funktioniert ohne korrekte GPS-Daten nicht mehr, genauso wenig wie der Ankeralarm!“
Zudem rät er, einen Radarreflektor zu nutzen, um für andere sichtbar zu sein – auch, wenn das AIS nicht mehr funktioniert. Seglerinnen und Segler, deren Yacht mit einer Radaranlage ausgestattet ist, sollten diese nutzen und können ihr Wissen über die verschiedenen Bedienmöglichkeiten im Rahmen einer Radarberatung auffrischen.
„Wir empfehlen ausdrücklich die Mitnahme von aktuellen Papierseekarten für das gesamte Fahrtgebiet und ab Verlassen des Hafens ein Mitkoppeln der Position“, betont Rainer Tatenhorst. „Wer autark von der elektronischen Navigation unterwegs ist, begibt sich und seine Crew weniger in Gefahr. Das gehört zur guten Seemannschaft und sollte von allen Skipperinnen und Skippern beherrscht werden.“
Aus Sicht des DSV ist es nicht nur aufgrund der aktuellen Gefährdungen durch die Störung der GPS-Signale unerlässlich, dass auch künftig die klassische Navigation weiterhin ausgebildet und insbesondere Prüfungsbestandteil beim amtlichen Sportbootführerschein See bleibt.
Service der DV-Fahrtensegelabteilung: Törnberatung
Skipperinnen und Skipper können sich zur Vorbereitung ihrer Törns und bei weiteren Fragen direkt an die Abteilung Fahrten- und Freizeitsegeln des DSV wenden. Rainer Tatenhorst und Andreas Vornefeld sind per Mail unter [email protected] oder telefonisch unter 040-632009-30 zu erreichen. Die Törnberatung ist ein kostenloser Service für registrierte Fahrtenseglerinnen und -segler der DSV-Mitgliedsvereine. Ergänzend bietet die DSV-Akademie verschiedene Navigationsseminare an.