Seit einem Jahrhundert gibt es diese Gemeinschaft in Berlin-Spandau. Ihre Mitglieder verbindet mehr als die Liebe zum Segeln: In allen Lebenslagen für einander da sein, lautet die Devise am Stößensee. Der DSV gratuliert ganz herzlich zu diesem besonderen Jubiläum und wünscht alles Gute für die Zukunft.
Mit dem Kahn zum Vereinsgrundstück übersetzen – wie beim Yacht-Club Stößensee alles begann…
Eigentlich beginnt die Geschichte des Yacht-Clubs Stößensee mit einem anderen Berliner Verein, dem Wander-Segler-Verein 1922. Einige seiner Mitglieder machten sich 1924 auf die Suche nach einem anderen Grundstück, pachteten schließlich die Halbinsel Steffenhorn in Berlin-Spandau und bauten dort in gemeinschaftlicher Eigenleistung ein Holzhaus im nordischen Stil. Welches übrigens heute noch genutzt wird.
Schnell sagten sich jene Segelnden und Motorbootfahrenden los von ihrem alten Verein und gründeten am 26. Juni 1925 einen eigenen: den Yacht-Club Stößensee (YCST). Wer das Gelände erreichen wollte, musste von der Anlegestelle am Restaurant „Seeschloß“ mit dem clubeigenen Kahn übersetzen. Petroleumlampen ersetzten elektrisches Licht, Trinkwasser wurde in Flaschen abgefüllt mitgebracht. Doch das alles störte niemanden – Hauptsache auf und am Wasser sein, hieß die Devise.
Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde es schwierig für die Gemeinschaft am Steffenhorn. „In den Segelvereinen fanden sich viele Juden, und wir als Handwerkerverein waren den Nazis zu selbstbewusst. In den Annalen sehen wir Bilder vom alten Vorstand mit einem Aufpasser an seiner Seite“, berichtet Andreas Lubberger, erster Vorsitzender des Vereins. Der Zweite Weltkrieg brachte schließlich wie überall in Deutschland auch in Berlin den Segelsport zum Erliegen.
… und wie es weiterging: viel Verhandlungsgeschick und dann die große Freiheit
In den folgenden Jahrzehnten, als Berlin noch eine westdeutsche Insel in der damaligen DDR war, bot der Yacht-Club Stößensee vielen Menschen eine kleine Freiheit am Wasser: rauf auf‘s Boot und einfach lossegeln. Wer an Land blieb, schnackte mit anderen, bastelte an seinem Boot, renovierte Stege oder das Clubhaus.
Noch vor der politischen Wende gab es für den Yacht-Club und seine Mitglieder einen anderen vereinshistorisch bedeutsamen Punkt: Eine deutliche Pachterhöhung hätte 1985 beinahe das Aus für den Berliner Club bedeutet. „Doch kluge Verhandlungen, kreative Ideen und großes, auch finanzielles Engagement der Mitglieder sicherten schließlich die Zukunft unserer Gemeinschaft“, sagt Andreas Lubberger.
Nach der Wende tat sich plötzlich die ganz große Freiheit für alle Berlinerinnen und Berliner auf. Auch viele Fahrtenseglerinnen und -segler des Yacht-Club Stößensee schwärmten aus in alle Richtungen Deutschlands und Europas. „Einige Mitglieder verließen den Verein, andere kamen dazu.“ Und mit ihnen neue Ideen und Impulse.
Der Yacht-Club Stößensee heute: viel mehr als eine Marina
„Wir sind mehr als eine Marina mit Liegeplätzen für Wassersportlerinnen und Wassersportler“, sagt Andreas Lubberger stellvertretend für die Mitglieder des Yacht-Clubs. „Und wir sagen ganz klar: Ja, es lohnt sich, Mitglied in einem Verein zu sein. In unserem Verein.“ Wer in diesen Tagen auf die Website des Vereins schaut, versteht schnell, was der Vorsitzende damit meint, und was diese Gemeinschaft ausmacht:
Segeln lernen? Ja! Engagierte Ehrenamtliche aus dem Club und eine enge Kooperation mit Nachbarvereinen am Stößensee lassen gerade eine neue Kinder- und Jugendarbeit entstehen.
Regatten segeln? Ja! Bei clubinternen Wettfahrten oder im Berliner Raum gar kein Problem. Der YCST richtet in der Regel auch zwei offene Regatten selbst aus: das „grün-weiß-rote Band des YCST“ und die „Teeny-Trophy“. Und wer sich allein keinen Start zutraut, der kann auch bei anderen Vereinsmitgliedern mit an Bord gehen.
Fahrtensegeln? Klar! Die Gruppe der Fahrtensegelnden wird von Jahr zu Jahr größer, und irgendjemand aus dem Club kennt sich immer aus mit dem angedachten Revier, egal ob bei Wochenendtörns auf Havel, Wannsee, Jungfernsee und Lehnitzsee („Wir verabreden uns oft zum gemeinsamen Ankern“) oder längeren Reisen entlang der Elbe, auf Nord- oder Ostsee oder sogar dem Atlantik.
Motorbootfahren? Auch das ist eine Facette des Yacht-Club Stößensee. Die motorisierten Wassersportlerinnen und -sportler starten zu ausgedehnten Touren Richtung Ostsee und bis nach Frankreich. Und stellen ihre Boote bei vom Verein ausgerichteten Regatten zur Verfügung.
Plattbodenschiffe? Auch die Tradition pflegen sie im Yacht-Club am Stößensee. Der Verein ist nicht nur Heimathafen mehrerer historischer Plattbodenschiffe, seit 2017 richtet der YCST auch regelmäßige Treffen für die Traditionssegler aus.
Das allein ist schon viel. Doch der Yacht-Club Stößensee ist noch mehr. „Wir kümmern uns umeinander, wir kennen uns und wir helfen uns, wo immer es notwendig ist“, sagt der erste Vorsitzende. Dazu gehört auch eine ausgeprägte Feierkultur mit Tanz- und Spieleveranstaltungen, Skatturnieren, Frauen- und Kapitänsabenden, Literaturnachmittagen und Montagsgrillen. „Wir genießen einfach das Leben miteinander – auf dem Wasser und an Land.“
Zum Leben gehört für die Berliner Gemeinschaft ganz selbstverständlich auch der Tod dazu. Im vergangenen Jahr, als einige zentrale Persönlichkeiten ihre letzte Reise antraten, veranstaltete der Verein eine gemeinsame Gedenkausfahrt zur Tonne 3 auf der Havel.
Das ist der Yacht-Club Stößensee
Der Yacht-Club Stößensee liegt am Stößensee in Berlin-Spandau geschützt auf der Halbinsel Steffenhorn auf einem 3600 Quadratmeter großen Gelände mit viel altem Baumbestand. Im Clubhaus gibt es unter anderem eine öffentliche Gastronomie. Der Steg verfügt über 55 Liegeplätze für Segel- und Motorboote, drei Gastliegeplätze; es gibt eine Holz- und Metallwerkstatt, Slipanlage und Portalkran (bis zu drei Tonnen). Der Verein stellt seinen rund 100 Mitgliedern unter anderem Optis, Teenys und Piraten zur Verfügung. Adresse: Brandensteinweg 66, 13595 Berlin; E-Mail: [email protected]; www.ycst-berlin.de