Experten in Aero- und Hydrodynamik setzten ihre Kenntnisse ein, nutzen neueste Analyse-Werkzeuge und auf den Schiffen gesammelte Leistungsdaten und lassen Berichte und Rennergebnisse einfließen, um mögliche Verbesserungen zu errechnen.
Da die Änderungen am System die 8000, in 35 Ländern ausgestellten, ORC-Zertifikate beeinflussen können, müssen sie sorgfältig und mit Bedacht erstellt werden.
Der Änderungsprozess beginnt mit Vorschlägen, die während der ITC-Sitzungen im Laufe des Jahres erarbeitet werden. Um sicherzustellen, dass die Vorschläge die erwarteten Ergebnisse liefern, werden sie getestet und im Anschluss dem Kongress zur Genehmigung vorgelegt. Nach einem weiteren Test durch dar ORC-Rating-Büro sind die Neuerungen dann zum neuen Jahr einsatzbereit.
Für 2013 führte dieser Prozess zu einer signifikanten Verbesserung des ORC Rating-Systems aufgrund einer grundlegenden Umstrukturierung des hydrodynamischen Kerns des VPP, des sogenannten „residuary resistance“-Ansatzs (Rc, verbleibender Widerstand). Dies das das Ergebnis von zwei Jahren Arbeit mit Daten aus Tanktests sowie CFD-Tools durch die ITC-Mitglieder unter der Führung von Andy Claughton (Southampton), untermauert durch Forschungsergebnisse von Kay Enno Brink (Deutschland), Philippe Pallu de la Barrière (Frankreich), Designer Jason Ker (Großbritannien) und ORC-Programmierer Davide Battistin.
Zusammen mit den Verbesserungen im aerodynamischen Modell wirken sich die gesamten VPP-Änderungen derart aus, dass die erwarteten Geschwindigkeiten aller Boote höher liegen, und zwar um einen durchschnittlichen Wert von -5 sec/mi GPH, oder etwa ein Prozent im Vergleich zu 2012. Leichte Boote beschleunigen insbesondere vor dem Wind schneller, aber deutlich geringer auf Amwind-Kursen. Hingegen bekommen Yachten, die sich stark an den Koeffizienten des ehemaligen VPP orientiert haben, nun keinen Bonus mehr. Umgekehrt werden Yachten, die zuvor für ihre schwache Prismenform und den moderaten Auftriebsmitttelpunkt (LCB) bestraft wurden, nun genauer behandelt.
Die GPH-Veränderungen können in einigen Fällen auffällig sein – im Bereich von -20 bis +10 sec/mi – und dies kann Fragen aufwerfen. Allerdings sind die Unterschiede in den Vormwind-/Amwindbewertungen für die meisten Bootstypen eher gering, und die neue VPP ist viel besser in der Lage, das Leistungspotenzial eines Yacht-Designs im Vergleich zu Wettbewerbern zu bewerten. Das VPP ist auch viel näher dran an den tatsächlichen Geschwindigkeiten der Boote während der Rennen und begünstigt oder benachteiligt nicht einzelne Boote.
Die Änderungen wurden durch Testläufe im Vergleich der verschiedenen Handicaps validiert, außerdem gab es Neubewertungen vergangener ORC-Meisterschaften und einiger großer deutscher ORC-Regatten. Diese Testläufe zeigen in den einzelnen Rennen Veränderungen im Ranking, aber nicht insgesamt und nicht über das gesamte Spektrum der Bootsgrößen und -typen. Innerhalb jeder Klasse wurde die Differenz durch das neue VPP um etwa 30 Prozent reduziert.
Dr. Wolfgang Schäfer, Vizepräsident des ORC und Obmann des deutschen Seesegel-Ausschusses des Deutschen Segler-Verbandes, ist sehr zufrieden mit dem neuen VPP: „All die ITC-Arbeit zeigt uns, dass der VPP auf eine noch robustere und präzisere Basis gestellt worden ist“, sagte er. „Mit dem neuen VPP können die gleichen Yachten weiterhin Regatten gewinnen, aber die Rennen der in der Spitze werden nach berechneter Zeit viel enger. Anders als in früheren Rennen, als einige Yachttypen großen Gewinnmargen hatten, gibt es in 2013 eine größere Spannbreite vn Yachten, die die Chance zum Sieg haben.“
Eine weitere Änderung für 2013 ergibt sich in der Vermessung: Ab sofort werden Boote nach ORC leer oder im „Leichtschiff“-Trimm vermessen, um den Aufwand zu reduzieren, die verschiedenen Sichrheits-, Rigg- und andere wichtige Untensilien an Bord aufzunehmen und zu wiegen. Diese Posten werden weiterhin aus sicherheitstechnischen Gründen benötigt, sind aber nicht mehr für die ORC-Zertifizierung erforderlich. Es wurde ein Schman entwickelt, um die früheren Vermessungseinrichtungen mit dem neuen „Leichtschiff“-Trimm zu verrechnen, so dass für alte Zertifikate keine Neuvermessung nötig ist.
Dies ist ein Fachartikel von Dobbs Davis aus der Segler-Zeitung, den wir hier mit deren freundlicher Genehmigung wiedergeben.